- Guter Journalismus will bezahlt werden
- Ich zahle lieber für Artikel, als dass ich mit Werbung zugefüllt werde; und
- Ich bin sowieso Spiegel-Abonnent und kann somit ohnehin auf die Artikel zugreifen.
1. Man nehme einen Mac und surfe mit dem Safari-Browser die gewünschte Seite an – etwa diese. Es folgt die Zahlungsaufforderung. (Dummerweise gibt es keine Möglichkeit für Abonnenten wie mich, sich einzuloggen – was die nächsten Schritte motivierte.)
2. Man schalte den Browser in den Lese-Modus (Shift-Command-R). Jetzt kommt der gesamte Artikel – allerdings ist der zu bezahlende Teil verschlüsselt.
3. Offensichtlich werden hier einzelne Zeichen durch andere Zeichen ersetzt – Leerzeichen und Absatzzwischenräume sind nach wie vor erkennbar. Gleich zwei Absätze beginnen mit "Jo" – offensichtlich ein häufiges Wort. Nehme ich jeweils den vorangegangenen Buchstaben, erhalte ich hier "In". Gleichermaßen wird "Tfju" zu "Seit", und "Ebt" zu "Das". Die Entwickler haben den Text mit einer Cäsar-Chiffre verschlüsselt – jeder Buchstabe wird durch seinen Nachfolger ersetzt. Das ist das einfachste und unsicherste Verfahren der Verschlüsselung – und eine Beleidigung für jeden Sicherheitsexperten.
4. Wir markieren den verschlüsselten Text und kopieren ihn in die Zwischenablage (Command-C). Dann surfen wir zu einer Seite, die die Cäsar-Verschlüsselung entschlüsselt – etwa hier. Dort fügen wir den kopierten Text ins untere Feld, geben "1" als Verschiebung ein, und drücken auf "Decode" – und schon erscheint oben der entschlüsselte Artikeltext. Umlaute und "z" sind zwar noch kaputt, aber dies sei dem geneigten Programmierer zur Übung überlassen.
Danke, lieber Spiegel, dass Du Dich seit Jahrzehnten an die Speerspitze des deutschen investigativen Journalismus stellst. Jetzt musst Du nur noch das Schlusslicht in Sachen Verschlüsselung abgeben, und Du hast meinen vollen Respekt. Kleiner Tipp: Unser CISPA-Institut gibt gerne Hinweise zu sicheren Verschlüsselungs- und Zahlungsverfahren :-)
Update vom 29.06.2016: Matthias Streitz von der Spiegel-Chefredaktion hat sich bei mir gemeldet – er dankt für den Hinweis und will prüfen, ob ihnen "noch etwas Schlaueres einfällt als die Cäsar-Verschiebung". Ich bin optimistisch, dass ihnen das gelingen wird.
Update vom 20.06.2016: Die "niedrige Paywall" ist auch von anderen beobachtet wurden.